29. Oktober 2012

Iran



In Bazargan ist es soweit und wir verlassen die Türkei und betreten die Grenze zum Iran. Aufgrund der Visa ist die Einreise für uns recht unproblematisch, bis es zu dem Punkt des Motorrades kommt. Wie erwartet wird das carnet de passages von mir verlangt, quasi der Reisepass für’s Motorrad und nachdem ich dem Grenzbeamten dies aushändige, geleitet er mich zum Abfertigen in eines der Nebenzimmer im Zollgebäude. Zusätzlich kommen zwei weitere Herren hinzu und einer stellt sich lässig die Beine über Kreuz und Arme verschränkt, sich gegen die Tischkante lehnend, vor mich und meint „20 €“. Auf meine Frage „Why?“ kommt nur „No questions! Pay!“ und ich werde zum ersten Mal in meinem Leben mit korrupten Grenzbeamten konfrontiert. Ich glaube die Tatsache, dass ich zuvor mein lautstarkes Erstaunen, aufgrund des Bildes eines Krone BiG X mitten im iranischen Zollgebäude nicht im Zaum halten konnte, tat hierzu sein Übriges!? Bis auf 15 Lira drücke ich den Betrag zwar, zahle aber, da mir doch etwas komisch zu Mute wird. Nachdem wir dann abgefertigt sind, versuchen wir noch einmal gemeinsam nach dem Grund für diese Zahlung zu fragen. Und da Mila ja Persisch spricht, gelingt es ihr dem Mann klar zu machen, dass wir ohnehin kaum Geld haben und es keinen gerechtfertigten Grund hierfür gäbe. Der Mann meint zwar wir sollen ihm dankbar sein für seine Hilfe und dies wäre ein Geschenk von uns an sie (!?) gibt uns nach 5-minütiger Diskussion doch wider erwartend das Geld zurück.

Wir machen uns schleunigst aus dem Staub, halten in vermeintlich sicherer Entfernung an, um ein Foto zu machen…



... und werden nur 500 Meter später wieder von „Offizielen“ angehalten, die abermals unsere Papiere sehen wollen und uns dann aber endlich mit „Welcome in Iran“ passieren lassen…

Wir fahren bis nach Maku, die erste Stadt gut 20 Min vom Grenzübergang entfernt und lernen in einem kleinen Fast-food Laden einen Jungen kennen, der einen Freund in der Stadt hat, der etwas English spricht. Er fordert uns auf, ihm nach zu Fahren, was wir auch tun und kommen zehn Minuten später bei Hoshat’s Laptop-Laden an. Er lädt uns erst einmal auf Tee und Eis (!) ein und bietet uns an das bike über Nacht in seinem Laden zu parken, dies sei sicherer! Und das glaube ich ihm sogar! Da die "Islamic Republic of Iran" wie der Name schon erkennen lässt, durch und durch von der Religion geprägt ist, herrscht für Frauen Kopftuch-Pflicht, was auch vor Reisenden keine Ausnahme macht...


Direkt nebenan ist ein Hotel, oder eher ein Haus in dem Zimmer vermietet werden. Für 10 Lira oder 5 $, wir konnten noch kein Geld wechseln, bekommen wir Eines für eine Nacht. 


Wenn ich nicht in den letzten Monaten in der Hinsicht sehr viel unempfindlicher geworden wäre… Eieieiei. Meilenweit entfernt, von dem was man in Deutschland als „Absteige“ bezeichnen würde.


Zwischenzeitlich stellen wir fest, dass mein "carnet", was normalerweise eine Gültigkeit von 6 Monaten haben müsste, aus unerfindlichen Gründen einen 10-Tages Transit-Stempel erhalten hat, was mir leicht Sorgen bereitet...

Am nächsten Tag lädt Hoshat uns gemeinsam mit seinen Freunden zum Picknick und Grillen ein! Echt super und mein anfänglicher Frust auf das Land, hervorgerufen durch seine korrupten Grenzbeamten verschwindet allmählich.



Auch wir probieren einmal „Nagile“…. 



:-)



Gegen Nachmittag verabschieden wir uns von Hoshat ....


und machen uns auf den Weg weiter Richtung Süden. Nach gut 50 km wird es dunkel und wir suchen uns abgelegenes Plätzchen zum Zelten in der beginnenden iranischen Wüste. Die Nacht hindurch regnet es öfter und wird auch kälter und ich fange wieder an mich recht unwohl zu fühlen und bekomme sogar Fieber. Ich glaube das ungewaschene Obst vom Abend tat sein Übriges dazu… 

Ich schlafe kaum und am nächsten Morgen habe ich knapp 38° Fieber und fühle mich nicht wirklich gut zum Weiterfahren. Allerdings habe ich auch keine Lust einen ganzen Tag und noch eine Nacht im „iranischen outback“ zu verbringen und so beschließe ich, dass wir uns auf den 280 km weiten Weg nach Urmia machen, da wir dort bereits einen host über HU haben. 

Das reicht erneut nach Regen...


was auch 10 Minuten später eintritt und nach einer guten Stunde in dem Selbigen machen wir Rast an einem Kiosk? Schwer zu definieren, um was für ein Gewerbe es sich konkret handelt?


Auf jeden Fall scheinen die anwesenden Männer arges Mitleid mit uns durchnässten Reisenden zu haben und laden uns erst einmal zu Tee und Essen ein... :-)

Bei einbrechender Dunkelheit kommen wir in Urmia an und ich friere und habe Bauchschmerzen ohne Ende, obwohl es fast 20° sind und ich alles anhabe, was geht. 

Unser Host bringt mich noch am selben späten Abend zum Arzt, irgendwo in einem iranischen Untergeschoss. Nicht so schlimm wie ich erwartet hätte, allerdings von deutschem Standard meilenweit entfernt. Ich bekomme drei fette Spritzen in den Poppes und schlafe auch ziemlich zeitig danach ein... 

Da es mir auch am nächsten Tag nicht wirklich besser ist und ich viel Elan habe, lasse ich fast alles mit mir machen... :-/


Zu allem Überfluss müssen wir am darauffolgenden Morgen das Haus aus heiterem Himmel verlassen, und dies zudem aus seltsamen und wie sich später heraus stellt erlogenen Gründen. Die Tatsache, dass ich mich immer noch hundeelend fühle, über 38° habe und in der Nacht 6 Mal auf dem Klo war, lässt meinen Frust stark anwachsen. Und alle 5 min kommt der Vater der Familie mit den Worten "late" ins Zimmer und versucht uns unmissverständlich klar zu machen, dass er uns endlich los werden will. So viel zur hoch gelobten iranischen Gastfreundschaft... !? :-(

Da ich mich in keinster Weise fahrtüchtig fühle, suchen wir uns für die kommenden 2 Tage ein Hotel. Da es für Ausländer im Iran keinerlei Möglichkeit gibt an Bargeld zu gelangen - sämtliche nicht iranischen Kredit- und Bankkarten werden als Zahlungsmittel abgelehnt - ist man auf das angewiesen, was man von vorneherein mitgebracht hat, was in unserem Fall nicht sehr viel war. Um ehrlich zu sein, zu wenig. Das wird mir klar, nachdem ich Doktor und die Nächte im Hotel bezahle.



Da wir zu diesem Zeitpunkt bereits 6 Tage im Iran sind, ich die gesamte Zeit die finstere Vorahnung habe, aufgrund des 10-Tage Carnet-Deals erneut Schwierigkeiten an der Grenze zu bekommen und unsere Visa auch nur für 15 Tage gelten, gilt es eine Entscheidung zu treffen. Da ich mich zwar wieder fahrbereit fühle, aber meilenweit entfernt von gut und gesund und wir immer noch ganz im Norden des Landes sind, hege ich arge Zweifel, gut 3.000 km in den nächsten 4 Tagen zurückzulegen und ohne weitere Probleme ans andere Ende des Landes zu gelangen...

Also beschließen wir etwas niedergeschlagen vorerst in die Türkei zurück zu fahren. Wir fahren von Urmia aus wieder gen Westen und auf dem Weg kommen uns unzählige dieser Kameraden entgegen, die hier scheinbar hoch im Kurs stehen...



Auch das Panorama ist nicht so schlecht!


Der erneute Grenzübergang in Serou bietet ein noch größeres Chaos, wie der erste. Überall Leute die sich frei zwischen den Grenzerhäuschen beider Länder bewegen, irgendwelche Dinge be- und entladen oder doch schmuggeln? Hinzu kommen Kinder, die Geld wechseln wollen und einen von hier nach da führen. Ich versuche alle nötigen Stempel zu bekommen und werde immer wieder zu sehr undurchsichtigen Personen - alle in Zivil - geschickt die irgendwelche Signaturen in meine Papiere machen, von denen ich keinerlei Ahnung habe, was es mit denen auf sich hat!

Auf der türkischen Seite ist es nicht weniger chaotisch, da die selben 10-jährigen Kinder um die Grenzer herumlaufen und auch plötzlich hinter der Scheibe neben dem Soldaten auftauchen... :-/ Als ich meinem KFZ-Stempel in den Reisepass bekommen soll, da der zu diesem Zeitpunkt der Grund der verweigerten Ausreise ist, traue ich meinen Augen nicht, als ein teenager hinter der Scheibe am PC sitzt und absolut keine Ahnung hat, was er machen soll, da er in seinem Computer Deutschland nicht findet. Plötzlich ruft er mich hinein und ich stehe neben ihm und erneut der 10-jährigen Jungen von der iranischen Seite und wir erklären ihm, was er wo in seinen Computer zu tippen hat. Als dann plötzlich der kleine Junge samt meinem Reisepass und Motorrad-Papieren verschwindet, wird mir echt warm um's Herz! Als er zurück kommt, schnappe ich mir schleunigst sämtliche Papiere, anschließend Mila und das Motorrad und schaue, dass wir fort kommen von diesem Tummelplatz für Schmuggler, Gauner und anderen undurchsichtigen Gestalten...

Wieder in der Türkei fühle ich mich zum Einen wieder etwas besser, auf der anderen Seite aber in irgendeiner Art und Weise "versagt" zu haben und Mila hat arge Mühe mich vom Gegenteil zu überzeugen! Nach einiger Zeit verflüchtigt sich dieser Gedanke allerdings, da ich mir sage aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben und außerdem gilt es nun wieder aufmerksam zu sein, da wir über 1.000 km durch das gesamte kurdische Gebiet der Türkei vor uns haben und ein längerer Teil von unserer Strecke bis zu 20 km an die syrische Grenze heran führt...

In der Zwischenzeit hat Mila einsehr schönes Bild von unserer treuen Reisegefährtin gemalt...





Also bleibt es trotzdem weiterhin spannend! :-)



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