18. Oktober 2013

"MALA SKOLA" USTANOVA ZA PRIHVAT I ODGOJ DJECE - VARES

„Mala Skola“ 
        das heißt soviel wie „Kleine Schule“ und ist die Kurzform des Kinder- und Waisenheimes, welches ich in Vares, hier im Herzen Bosnien-Herzegowina's besucht habe.

Aufgrund meines Arrangements mit Joachim v. Loeben und seiner Stiftung für Helfer, welches ich im Winter eingegangen bin, habe ich nun fest vorgehabt die mir zu Verfügung stehenden 350 € sinnvoll zu verwenden. 200 € wurden mir von der Stiftung bereitgestellt und 150 € hatte ich selbst gesammelt. Denen hab ich nochmal 50€ aus eigener Tasche hinzugefügt, da ich ja in der Türkei einen nicht bezahlten Strafzettel in dieser Dimension eingespart habe.

Warum Bosnien? Die Frage habe ich mir selbst auch immer wieder gestellt. Ich glaube es liegt daran, da dies vor 2 Jahren mein allererstes Land war, in das ich eingereist bin und bei dem ich nicht den blassesten Schimmer davon hatte, was mich dort erwartet und irgendwie immer die Worte "Krieg" und "Gefahr" vor Augen. Wahrscheinlich jene Attribute, welche die Mehrheit aller Deutschen heute noch immer mit diesem Land und seinen Nachbarn verbindet. Umso mehr war ich positiv überrascht und beschämt über mich selbst, was ich denn im Vorfeld so alles dachte, da ich sogar in Ungewissheit noch in Kroatien meine Reservekanister aufgefüllt hatte. :-/ 
Ein landschaftlich super reizvolles und tolles Land mit überaus netten Menschen, wo es auch sämtliche Produkte wie bei uns, vom "Big Mac" bis zum "Porsche Cayenne" gibt, nur dass sich 99,9 % aller Einwohner wohl nie Letzteren leisten werden. Auch hat mich die Hauptstadt Sarajevo von Beginn an mit ihrer super tollen Altstadt in ihren Bann gezogen und ich immer schöne Erinnerungen an sie gehegt. Auf der anderen Seite sind es die Nachwehen des Krieges, die überall noch sooo offensichtlich sind. Ob zerfallene Gebäude, gänzlich verlassene Dörfer, Schilder mit dem Hinweis auf Minengefahr oder auch die unzähligen Einschusslöcher in vielen Wohnhäusern. 



Alles Zeugen von einer schrecklichen Vergangenheit, wobei es gerade Sarajevo am Schlimmsten erging, da es so im Tal liegend lange belagert und von allen Seiten beschossen wurde. All dies zusammen hegt in mir eine große Empathie den hier lebenden Menschen und vor allem Kindern gegenüber, so dass ich mich entschieden habe, mein Vorhaben genau hier durchzuführen!

Bereits im Vorfeld habe ich von einer Frau aus Sarajevo, der ich mein Vorhaben unterbreitet hatte, den Ratschlag bekommen, mich ausserhalb der Hauptstadt umzusehen, da die Einrichtungen dort, wohl noch dringender Hilfe gebrauchen könnten. Und so habe ich im Internet dieses Haus der „Schulwestern Franziskanerinnen der Bosnisch-Kroatischen Provinz“ gefunden, die sich in der kleinen Stadt Vares um Kinder aus zerrütteten und verwahrlosten Familien, die noch schwer vom Krieg gezeichnet sind, kümmern.

Nach einer Nacht im Hostel im Zentrum Sarajevos, breche ich morgens im Regen auf nach Vares. Es regnet allerdings wie aus Eimern, so dass ich noch nicht mal am Stadtrand angekommen, bei Mc Donald's anhalte und Unterschlupf suche. 


Leider lässt der Regen auch nach zwei Stunden noch nicht nach. Ich denke mir allerdings,„Fünf Tage im russischen Regen? Da werden 50 km in Bosnien mich auch nicht mehr klein kriegen!“ und fahre also weiter. Unterwegs fahre ich in den bosnischen Herbst, der nun auch hier rege Einzug hält und die Landschaft in ein bräunliches Gelb färbt, was zwar sehr schön anzuschauen ist, für’s Motorradfahren bei Regen allerdings weniger von Vorteil und so brauche ich für die 45 km fast eineinhalb Stunden, so vorsichtig und langsam bin ich unterwegs…


Ich komme in Vares an


und mein erster Eindruck ist echt schockierend. Einst muss hier einmal eine recht florierende Bergbau- und Eisenindustrie ansässig gewesen sein. Nun aber nur noch Ruinen, Schutt und Geröll...


Unzählige leere Fabriken, Häuser, verlassene und zerfallene Gebäude. 


Auch die Wohnblöcke in der Stadt sehen nicht in einem wirklich guten Zustand aus, so dass ich mir denke: „Hier bin ich richtig!!!“ Auch finde ich das Haus recht schnell, da es erst 5 Jahre alt ist und sich von daher vom Zustand weit von den anderen unterscheidet.

Da ich ja keinerlei Erfahrung mit dem Part habe, der nun kommt, versuche ich es recht pragmatisch anzugehen, gehe einfach mal hinein und befinde mich direkt in einer Art Basar. Es ist "Erntedank" und die Kinder verkaufen die unterschiedlichsten Arten und Sorten von selbst gebackenem Brot, um den Erlös und die Übereste anschließend noch ärmeren Menschen in der Stadt zu übergeben. 



Ich frage nach jemandem der Englisch oder gar Deutsch spricht und eines der jungen Mädels übersetzt einer Schwester wer ich bin, wo ich (gerade und eigentlich) her komme und was ich hier möchte. 


Sie rufen mit „Schwester Ana“ und „Schwester Snjezana“ zwei die ebenfalls Englisch sprechen und wir sitzen zusammen und ich erzähle Ihnen in Ruhe bei einem Tee, wer ich bin, dass ich gerade mit dem Bike auf dem Rückweg nach Deutschland bin und was ich bei Ihnen tun möchte. Sie im Gegenzug erzählen mir was sie hier genau machen, dass dieses Haus seit 5 Jahren existiert und von daher in einem recht guten Zustand ist und 19 Kinder momentan hier leben, im Alter zwischen 3 und 18 Jahren. Alle aus Familien mit existentiellen Problemen wie Alkohol, Drogen, Kriminalität, Prostitution oder anderen Dingen, die in keinster Weise von einer sorglosen Kindheit zeugen und echt ans Eingemachte gehen. So sind sechs der Kinder hier Geschwister, die Älteste von ihnen 17 und alle von einer Mutter, die heute gerade mal über 30 ist und noch zwei weitere Kinder zu Hause hat...

Ich erkläre Ihnen, dass ich kein Bargeld hier lassen, sondern etwas kaufen möchte, das was gerade am Dringendsten benötigt wird. Nach ein wenig überlegen erklärt mir „Schwester Snjezana“,dass drei der älteren Kinder neue Schuhe und eine Hose bräuchten, da für sie in der Kinder-Kleider-Sammlung nichts passendes dabei gewesen sei. Also machen wir uns mit dem Auto und den Dreien auf den Weg in ein Einkaufszentrum.

Nachdem Daniela, Josip und Blach, jeder ein Paar Schuhe gefunden haben...


fragen mich Josip und Blach, ob sie einen Fussball haben dürfen, was ich Ihnen natürlich nicht ablehnen will! Jeder Junge braucht einen Fussball!!! Da sie sogar einen 3-jährigen Jungen im Heim haben, nehme ich noch zwei Pakete mit „Cars“ Boden-Puzzles mit (oder wie auch immer man diese Dinger nennt, die heutzutage den Fußboden eines jeden Kinderzimmers bedecken) Auch ist ein großer Bedarf an Schulutensilien vorhanden, so dass wir Taschenrechner, Zirkelkästen, Farbe, Hefte und Stifte kaufen und mit einem ziemlich vollen Kulli zurück zum Auto rollen.


Da noch etwas Geld übrig ist, biete ich Ihnen an nochmal hinein zu gehen und wir kaufen für jedes der 19 Kinder eine neue Zahnbürste mit –pasta, einen Duschbeutel mit Shampoo und weitere Waschutensilien, bevor wir uns mit einem ziemlich vollen Kofferraum auf den Rückweg nach Vares machen.


 Dort angekommen, wartet auch schon "Schwester Ana" mit Antoni, dem Jüngsten im Haus


:-)

Nach dem wir das Auto entladen haben, laden die Schwestern mich zum Abendessen ein, was ich nicht ablehne, da ich in der Zwischenzeit doch etwas Hunger bekommen habe... :-)


Anschließend erzählt mir "Schwester Snejzana", einiges über das Leben hier im Haus und den nach meiner Ansicht "Knochenjob" mit den Kindern. Jeden Morgen stehen sie, die Schwestern um halb Sechs auf und gehen selten vor 23 Uhr ins Bett. Dazwischen liegt reine Arbeitszeit, da immer irgendetwas anfällt, auch wenn die Kinder in der Schule ist. Dann wird gewaschen, geputzt und Essen vorbereitet. Zehn Schwestern sind im ganzen Haus, die sich die Arbeit aufteilen. Auch schläft immer je eine der Schwestern in einer der drei Wohngruppen bei den Kindern, so dass diese in der Nacht nicht alleine sind, was mit hoher Wahrscheinlichkeit selten eine Nacht durchschlafen bedeutet...


Dies ist "Schwester Snejzana", deren Name übersetzt "Schneeflocke" bedeutet. :-)

Sie selbst ist hier in Vares geboren und hat den Krieg miterlebt, von daher sei es ihr so wichtig gewesen, dieses Haus vor fünf Jahren hier in ihrem Heimatort zu errichten. Mittlerweile seien sie, nach anfänglichen Schwierigkeiten von den Einheimischen sehr akzeptiert und werden sogar unterstützt und im Gegenzug kommen immer öfter einheimische Kinder bei Ihnen vorbei, um an Aktivitäten im Haus teilzunehmen. Auch fragen sie mich, ob ich nicht jemanden kennen würde, der Lust habe ein oder zwei Monate mit ihnen und den Kindern hier im Haus zu verbringen und gegen Kost und Logie mit ihnen Englisch zu lernen oder andere sinnvolle Dinge zu tun? Wenn also jemand möchte oder jemanden kennt, der an so etwas Spaß hätte, nur zu! Ist garantiert eine super klasse Erfahrung. Auch werde ich es selbst mal im Hinterkopf behalten... ;-)

Sie bieten mir anschließend noch an, die Nacht hier zu bleiben, was ich natürlich nicht ablehne, da es bereits dunkel wird, das Wetter immer noch nicht besser ist und ich gerne noch mehr von den Kindern kennen lernen möchte! :-)

Am nächsten Morgen habe ich (als Einziger im Haus) das Privileg länger schlafen zu dürfen und nach dem Frühstück führt "Schwester Ana" mich im Haus umher, indem sie mir die Küche...


und einige der Zimmer 


zeigt. Wie hier das von Dragana und ihrer Schwester Ivana.

Gegen Mittag sind fast alle Kinder aus der Schule wieder zurück und nachdem Essen möchte ich gerne noch ein paar Fotos mit allen machen, bevor ich abfahre. Nachdem ich mein bike gepackt habe, will natürlich jeder der Jungs noch einmal drauf sitzen. Den kleinen Antoni habe ich ja gestern schon lieb gewonnen, als er allerdings heute aus dem Kindergarten zurück und beim Mittagstisch ein paar mal zu mir rüber gelaufen kommt, nur um mich zu umarmen, habe ich in endgültig in mein Herz geschlossen!


Dreieinhalb Jahre ist er, bereits seit zwei Jahren hier und die meiste Zeit am strahlen... :-)




Zu meiner Schande habe ich nicht alle Namen behalten können...


Sogar eines der Mädels möchte mal auf's Motorrad! :-)


Zum Abschluss dann noch ein Foto mit Allen, zumindest denen die anwesend sind!


Zum Abschied schenkt mir Dragana eines der selbst gebackenen Brote für unterwegs... :-)


allerdings möchte Antoni unbedingt wieder auf's Motorrad und mit auf's Bild


gibt mir anschließend sogar noch einen Abschieds-Kuss und ich bin wirklich davon überzeugt, in den letzten beiden Tagen genau das Richtige getan zu haben!!!

Ich glaube jeder hat ja bestimmt schon einmal, ob im Fernsehen oder im Freundeskreis Leute gehört, die über solche Situationen berichten und wie das Lachen oder Strahlen der Kinder sie erfüllt und vielleicht in vielen Fällen das ganze als Angeberei abgetan. Zumindest ging es mir oft so oder ich habe dem wenig Beachtung geschenkt.

Nun kann ich definitiv sagen, dass wirklich etwas dran ist! Es ist wirklich ein gutes Gefühl einem Kind, vor allem wenn man weiß, dass es es bisher nicht leicht hatte, ein Freude zu machen! Ich selbst habe aus verschiedenen Gründen vor ein paar Jahren der Kirche den Rücken gekehrt. Ein Beispiel war, dass sich das Bistum meiner Heimat von der Hilfsaktion "Weihnachten im Schuhkarton" distanzierte, wobei Deutsche Kinder eben Schuhkartons mit kleinen Dingen zusammenstellen, die dann solchen Kindern hier auf dem Balkan zur Weihnachtszeit überreicht werden, um ihnen eben eine Freude zu machen. Die augenscheinliche Begründung war, dass ja hiermit keine "nachhaltige Zukunftsperspektive" geschaffen würde. Ich sehe die Sache genau andersherum! Desto mehr die Kinder in ihrer Kindheit Glück, Freude und vor allem Liebe und Zuneigung erfahren, desto besser die Chancen, dass sie glückliche Erwachsene werden! Und von daher zählt jeder Augenblick und immer das Hier und Jetzt und ich bin sehr froh hierher nach Vares gefahren zu sein und dass es mir offensichtlich gelungen ist den Kindern ein paar glückliche Momente zu bescheren!! 

Zugegeben, weder ich (oder wer sonst) hat auch schon einmal die Erfahrung gemacht eine Nacht in einem Nonnen-Konvikt zu verbringen??

Zum Abschied geben mir die Schwestern noch ein Lunch-Paket und etwas zu Trinken mit auf den Weg, wünschen mir alles alles Gute und dass wir uns doch einmal wieder sehen! 


Von mir aus super gerne!


Abschließend möchte auch ich mich bedanken,
  • allem voran natürlich bei Joachim v. Loeben, der mit der Gründung seiner Stiftung für Helfer einen tollen Anreiz für Menschen geschaffen hat, sich unterwegs gemeinnützig zu engagieren!
  • daneben allen Leuten, die auf meiner Geburtstagsfeier waren und ein paar Euro hierfür übrig hatten!
  • auch bei "Pitta" meinem "Lieblings-Currywurst-Imbiss", der mich mit einer kleinen Spende aus eigener Tasche unterstützt hat.
Zu meinem Bedauern musste ich leider feststellen, dass sonst niemand, egal ob Privatperson oder kleiner Unternehmer es für nötig hielt sich für eine gute Sache zu engagieren. Sehr sehr schade...

Vielleicht habe ich ja beim nächsten Mal mehr Erfolg, da ich so etwas auf jeden Fall wieder machen möchte!!


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